17.12.2025
Politik
Neuwahlen in Thailand mitten im Militärkonflikt
Warum Premier Anutin das Parlament auflösen ließ
Ein Wahlkampf im Schatten des Konfliktes
Die Wahl findet in einer Phase statt, in der alte Territorialstreitigkeiten wieder offen ausgebrochen sind. In den vergangenen Wochen kamen mehrere Soldaten und Zivilisten auf beiden Seiten ums Leben, Hunderttausende mussten fliehen.Politologe Titipol Phakdeewanich erklärt, die Parlamentsauflösung sei weniger staatspolitische Notwendigkeit als vielmehr ein taktisches Manöver: Anutin wolle einem drohenden Misstrauensvotum entgehen und zugleich die nationalistische Stimmung nutzen, die der Grenzkonflikt in Thailand entfacht hat.
Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Paetongtarn Shinawatra setzt Anutin offen auf militärische Stärke. Paetongtarn war im Sommer abgesetzt worden, nachdem ein Telefonat geleakt worden war, in dem sie den kambodschanischen Machthaber Hun Sen als „Onkel“ angesprochen hatte – ein Affront in den Augen des Obersten Gerichts. Der Fall verdeutlicht einmal mehr, wie eng Militär, Nationalstolz und Politik in Thailand miteinander verflochten sind.
Schwierige Ausgangslage für die Parteien
Für Paetongtarns Pheu-Thai-Partei wird die Wahl zur Herausforderung: Die Affäre um ihre frühere Vorsitzende belastet das Image. Die im Parlament stärkste Kraft, die Volkspartei (PPLE), steht vor einem anderen Problem: Sie fordert Reformen, die Macht des Militärs und der Monarchie einzuschränken. Doch gerade das Militär gilt vielen Thailändern als Garant nationaler Souveränität – ein heikles Verhältnis, das der Partei bei konservativen und nationalistischen Wählern schadet.Anutin selbst führt die Bhumjaithai-Partei, die bislang 69 Sitze hielt. An seine Position kam er nach dem Sturz seiner Vorgängerin durch einen politischen Deal mit der PPLE – obwohl er nur eine Minderheitsregierung anführt. Bestandteil der Vereinbarung war, das Parlament bis Ende Januar 2026 aufzulösen und eine Verfassungsreform inklusive Referendum einzuleiten.
Doch genau daran scheiterte die Koalition: Die Parteien konnten sich nicht einigen, insbesondere über die Rolle des vom Militär dominierten Senats. Als Bhumjaithai darauf bestand, jede Verfassungsänderung müsse von einem Drittel des Senats bestätigt werden, blockierte die PPLE – und ein Misstrauensvotum stand im Raum. Um einer Regierungskrise zuvorzukommen, zog Anutin die Reißleine und erklärte das Parlament für aufgelöst.
Unentschlossene Wähler – und ein Militär als unsichtbare Macht
Laut einer Umfrage der Bangkok Post sind die meisten Thailänder derzeit unentschlossen, wen sie wählen sollen. Aber selbst ein klarer Sieg einer Partei wäre keine Garantie dafür, dass diese den Premier stellen kann – die jüngere Geschichte hat mehrfach gezeigt, dass die Regierungsbildung in Thailand selten ein einfacher Mehrheitsprozess ist.Und über allem schwebt ein alter Grundsatz der thailändischen Politik: Gegen den Willen des Militärs regiert niemand. Seit 1976 gab es fünf erfolgreiche Putsche, der jüngste 2014. Auch heute gilt die Nähe zum Militär als politischer Vorteil, besonders in Zeiten nationalistischer Hochspannung. Insgesamt liegt die Halbwertszeit thailändischer Regierungen und Ministerpräsidenten eher auf dem Niveau von Buttercreme in der Sonne.
Wenig Hoffnung auf rasche Deeskalation
Politologe Napon Jatusripitak rechnet nicht damit, dass eine Partei die absolute Mehrheit erreicht. Eine schwache, fragmentierte Zivilregierung werde kaum in der Lage sein, den Konflikt mit Kambodscha nachhaltig zu lösen. Solange die zivile Führung nicht klare Kontrolle über das Militär gewinne, sei eine Bewältigung der Krise unwahrscheinlich. Ein schnelles Ende der Gewalt an der Grenze – so seine Einschätzung – sei nicht in Sicht.Kommentar der Red.:
Wenn Nationalismus regiert, verliert am Ende immer die Vernunft
Der gerade in Thailand wieder aufkochende Mix aus Nationalismus, übertriebenem Patriotismus und populistischer Inszenierung ist leider kein neues Phänomen – weder regional noch historisch. Seit Jahrhunderten führen genau diese politischen Brandbeschleuniger zu Missverständnissen, Feindbildern, Grenzziehungen, Konflikten und oft genug zu offenen Kriegen.Nationalismus funktioniert, weil er einfach ist: Er teilt die Welt in „uns“ und „die anderen“. Populismus tut den Rest, indem er behauptet, komplexe Probleme ließen sich mit martialischen Parolen lösen. Das Muster ist alt, aber zuverlässig: Wenn innenpolitisch die Luft knapp wird, ist der äußere Feind schnell gefunden. Ein Grenzkonflikt taugt dann plötzlich nicht nur zur militärischen Machtdemonstration, sondern auch als Wahlkampfmunition.
Genau das sieht man jetzt wieder in Thailand. Anstatt Deeskalation zu suchen, wird militärische Härte als Stärke verkauft – und politische Stabilität kurzerhand gegen symbolische Kraftmeierei eingetauscht. Der Preis dafür ist hoch: Menschen verlieren ihre Häuser, Soldaten und Zivilisten ihr Leben, Regionen ihre Zukunft. Doch nationalistische Narrative übertönen das Leid, denn sie funktionieren politisch zu gut.
Die Geschichte zeigt: Übersteigerter Patriotismus schafft keine Sicherheit, sondern verletzt sie. Er führt nicht zu Einheit, sondern zu Spaltung. Er löst keine Probleme, sondern produziert neue. Und Populismus? Der hält das Feuer am Lodern – solange es Stimmen bringt.
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