15.04.2025
Umwelt
Thailands Dugongs in Not
Der stille Zusammenbruch eines Ökosystems
Sterben in Zahlen: Die neue Realität
Während zwischen 2019 und 2022 jährlich durchschnittlich etwa 20 Dugongs in Thailand starben, registrierte das Department of Marine and Coastal Resources (DMCR) 2023 und 2024 jeweils über 40 Todesfälle – eine Verdopplung. Allein bis April 2025 wurden bereits 12 tote Tiere gezählt. Schätzungen zufolge könnte bis zu ein Drittel der ohnehin kleinen Population – 273 Tiere zählte man 2022 – bereits verschwunden sein.Der Hauptverdächtige: Verlust der Seegraswiesen
Autopsien zeigen: Etwa 40 % der Todesfälle im Jahr 2024 lassen sich auf Verhungern zurückführen. Dugongs ernähren sich fast ausschließlich von Seegras – einem Lebensraum, der in den letzten Jahren massiv geschädigt wurde. Vor allem in den Provinzen Trang, Krabi und Phuket sind einst lebendige Seegraswiesen inzwischen kahle Sandflächen.An Orten wie dem Hat Chao Mai Marine Nationalpark oder der Insel Koh Libong – einst Heimat von 75 % der Dugongs der Andamanenseite – ist die Seegrasbedeckung zwischen 2020 und 2024 um bis zu 70 % zurückgegangen.
Flucht mit Folgen: Neue Gefahren in fremden Gewässern
Mit dem Verschwinden ihrer Nahrungsquelle wagen sich Dugongs zunehmend in neue, risikoreichere Gewässer. Das führt zu mehr Todesfällen durch Bootsunfälle und Beifang in Fischernetzen. Auch in Malaysia und Myanmar wurden inzwischen tote Dugongs entdeckt – ein Beweis für die verzweifelte Migration der Tiere.Luftaufnahmen zeigen außerdem: Die Geburtenrate sinkt. Dugongs leben bis zu 70 Jahre, doch sie reproduzieren sich langsam. Jeder Verlust wiegt schwer. „Sie können nur ein sehr niedriges Maß an Sterblichkeit verkraften“, warnt Michael Roy vom WWF Thailand. „Jedes einzelne Tier zählt.“
Wenn Dugongs verschwinden, stirbt ein ganzes System
Dugongs sind nicht nur faszinierende Meeressäuger – sie sind auch Schlüsselarten. Ihr Fressverhalten hilft bei der Regeneration von Seegraswiesen, die wiederum als Kinderstuben für Meeresbewohner dienen, lokale Fischerei sichern und CO₂ binden. Ihr Rückgang bedeutet daher auch eine Bedrohung für das marine Ökosystem insgesamt.Ein komplexer Cocktail aus Ursachen
Wissenschaftler identifizieren eine Vielzahl an Faktoren hinter dem Seegrassterben: Sedimentbelastung durch Flussbaggerungen, landwirtschaftlicher Nährstoffeintrag, Übernutzung der Küstenzonen und klimabedingte Veränderungen wie steigende Meerestemperaturen und ungewöhnlich niedrige Gezeiten.Vor allem die Kombination aus chronischen Belastungen durch den Menschen und plötzlichen Klimaextremen ist tödlich: „Wenn du über Jahre das System schwächst und dann ein extremes Ereignis wie eine Hitzewelle kommt, bricht alles in sich zusammen“, sagt Meeresökologe Petch Manopawitr.
Letzte Zuflucht: Phuket – Hoffnung auf Zeit
Seit Ende 2024 tauchen Dugongs vermehrt vor Phuket auf – ein Ort, an dem sie zuvor kaum gesichtet wurden. Die Tiere suchen verzweifelt nach Nahrung, manchmal bleiben sie tagelang an kleinen Seegrasflecken vor Rawai Beach. Freiwillige, Wissenschaftler und die DMCR versuchen nun, die Tiere mit Notmaßnahmen wie Fütterung zu unterstützen – mit Grünkohl, Wasserspinat und Kohl.Doch ein ausgewachsener Dugong frisst täglich rund 40 Kilogramm Seegras. Solche „Überbrückungsmaßnahmen“ reichen nicht aus. Die langfristige Lösung liegt in der Wiederherstellung der natürlichen Lebensräume – insbesondere in Trang.
Wiederherstellung mit Hindernissen
Die Regeneration von Seegras ist zwar theoretisch möglich, aber praktisch komplex. Es fehlt nicht nur an geeignetem Saatgut – das durch den Rückgang vielerorts kaum noch vorhanden ist –, sondern auch an intakten Umweltbedingungen. Ohne die Beseitigung der eigentlichen Ursachen wäre jeder Restaurierungsversuch zum Scheitern verurteilt.Ein Hoffnungsschimmer: Aerial Surveys im März 2025 identifizierten 30 Dugongs an zwei Standorten vor der Küste von Phang Nga. In Phuket wurden sogar Tiere beim Paarungsverhalten gefilmt – ein seltenes und ermutigendes Zeichen.
Forschung, Schutz und Zusammenarbeit
Thailand gehört trotz des Rückgangs noch immer zu den wenigen Ländern außerhalb Australiens mit Dugong-Populationen über 100 Individuen. Um das zu erhalten, setzt die Regierung auf Sofortmaßnahmen wie temporäre Meeresschutzgebiete, reduzierte Bootsaktivitäten und Zusammenarbeit mit lokalen Fischern und Tourismusbetrieben.Dabei werden Drohnen, Flugzeugüberflüge und Datenerhebung vor Ort kombiniert, um die Bewegungen und das Verhalten der Tiere besser zu verstehen. Nur mit Wissen, Kooperation und langfristiger Ausdauer lässt sich dieser stille Notfall bewältigen.
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Der dramatische Rückgang der Dugongs in Thailand ist ein Paradebeispiel für das Zusammenspiel aus menschengemachter Umweltzerstörung und den Folgen des Klimawandels. Die Seekuh ist dabei nicht nur Opfer, sondern auch Indikator – und ihr Verschwinden wäre ein Alarmsignal mit weitreichenden ökologischen Folgen.„Wir haben nicht mehr viele Jahre, um das Ruder herumzureißen“, warnt Petch. „Wenn wir jetzt nicht handeln, ist es in wenigen Jahren zu spät.“
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