07.07.2025
Wirtschaft
Thailands Tourismus taumelt: Chinas Gäste fehlen, Ziele wackeln
Qualität statt Quantität? Warum Thailands Strategie an Grenzen stößt
Noch im Jahr 2019 war Thailand mit knapp 40 Millionen Besuchern unangefochtener Spitzenreiter der Region. Sechs Jahre und eine globale Pandemie später hat sich das Blatt gewendet: Malaysia (38 Mio.) und Japan (36,9 Mio.) haben Thailand (35,5 Mio. in 2024) in der Rangliste überholt. Damit droht dem einstigen Tourismus-Leitstern Südostasiens ein Bedeutungsverlust.
Die Tourism Authority of Thailand (TAT) versucht gegenzusteuern und setzt seit Kurzem verstärkt auf „Qualität statt Quantität“.
Zielgruppen wie Reisende aus Europa, den USA und dem Nahen Osten sollen die rückläufige Zahl chinesischer Touristen kompensieren. Und tatsächlich: In den ersten Monaten 2025 verzeichnete man in Thailand steigende Ankünfte aus Deutschland, Italien, Australien, Großbritannien und den Golfstaaten – Reisende mit nachweislich hoher Kaufkraft. Doch trotz wachsender Besucherzahlen aus neuen Märkten warnen Experten vor Euphorie. Die Strategie sei zwar nachvollziehbar, aber kurzfristig und reaktiv. Es fehle ein belastbarer Masterplan.
Das unverzichtbare China Geschäft
Besonders deutlich zeigt sich die Krise beim wichtigsten Quellmarkt der letzten Dekade: China. Im Jahr 2019 kamen über 11 Millionen Chinesen nach Thailand – 2025 waren es im selben Zeitraum weniger als zwei Millionen. Neben der spürbaren wirtschaftlichen Zurückhaltung in China spielt vor allem eines eine zentrale Rolle: das Sicherheitsgefühl.Ein dramatischer Vorfall im Januar, bei dem der chinesische Schauspieler Wang Xing bei einer dubiosen Reise über Thailand nach Myanmar entführt wurde, sorgte in chinesischen Medien für Aufsehen – und trug ebenso zur Verunsicherung bei wie der tödliche Amoklauf im Einkaufszentrum Siam Paragon 2023. Hinzu kommen Berichte über politisch instabile Verhältnisse, Unruhen an der kambodschanischen Grenze und ein jüngst entdeckter Sprengsatz in Thailands Süden.
Der Imageschaden ist beträchtlich, die Auswirkungen auf die Reiseentscheidung chinesischer Touristen kaum zu leugnen. Analysten sprechen davon, dass Thailand nicht mehr als sicheres Reiseziel wahrgenommen wird – ein toxisches Signal für eine sicherheitsbewusste Mittelklasse, die zunehmend individualisiert reist.
Trotz der wachsenden Diversifizierung bleibt der chinesische Markt für Thailand unverzichtbar. Brancheninsider wie Gary Bowerman und Hannah Pearson betonen unisono: Südostasien könne auf China nicht verzichten – Thailand schon gar nicht. Das Ziel müsse daher sein, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, nicht den Markt aufzugeben.
Erste Gegenmaßnahmen laufen: Die Association of Thai Travel Agents (ATTA) hat der Regierung vorgeschlagen, bis zu 10 Millionen US-Dollar in die Subvention von 1.000 Flügen aus 20 chinesischen Städten zu investieren. Kampagnen wie „Thailand Summer Blast“ oder „Sawadee Nihao“ sollen neue Impulse setzen, Medienvertreter und Influencer ins Land holen und über digitale Partnerschaften mit Baidu Chinas Online-Reich zurückerobern. Auch künstliche Intelligenz soll helfen, gezielt wohlhabende Zielgruppen anzusprechen.
Doch das allein wird nicht reichen. Chinesische Reisende – insbesondere die jüngere Generation – suchen heute authentische, greifbare Erlebnisse, keine altbackenen Rundreisen im Reisebus. Thailand müsse innovativere Angebote entwickeln, so Professorin Krittinee Nuttavuthisit von der Chulalongkorn University: mehr lokale Einbindung, mehr Community-Tourismus, mehr echte Erlebnisse statt touristischer Massenware.
Tourismusqualität als Lippenbekenntnis?
Während Thailand offiziell auf hochwertigen Tourismus umschwenkt, bleibt unklar, wie genau dieser „Qualitätsanspruch“ definiert und umgesetzt werden soll. Ian Di Tullio, Chief Commercial Officer von Minor Hotels, warnt davor, hohe Preise ohne echten Gegenwert zu verlangen. Wer zahlungskräftige Gäste anziehen will, muss auch liefern – sei es in Service, Infrastruktur oder kulturellem Mehrwert.Gleichzeitig ist die Konkurrenz wach: Malaysia hat die Visafreiheit für chinesische Touristen gleich für fünf Jahre verlängert. Vietnam investiert in neue Flugverbindungen, elektronische Visa und hat sogar den grenzüberschreitenden Zugverkehr mit China wieder aufgenommen. Thailand, so der Tenor vieler Fachleute, müsse sich deutlich mehr anstrengen, um seine Marktposition zu halten.
Bowerman bringt es auf den Punkt: „Man muss nicht nur überlegen, wie man die Haustür für Touristen öffnet – sondern auch, wie man verhindert, dass sie durch die Hintertür gleich wieder verschwinden.“
Die nachlassenden Besucherzahlen – insbesondere aus China – schlagen sich auch ökonomisch nieder. Die ATTA hat ihre Umsatzprognose für 2025 von ursprünglich 69 Milliarden auf 60 Milliarden US-Dollar nach unten korrigiert. Ohne strukturelle Weichenstellung droht dem Sektor langfristig nicht nur ein Image-, sondern ein Wettbewerbsproblem.
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