10.09.2025
Leben
Thailands Touristen-Gefängnisse - Ein ungewöhnliches Konzept
Essen, trinken, shoppen - Häftlinge als Baristas, Köche und Handwerker
Hinter der kurios klingenden Idee steckt eine umfassende Reform des Strafvollzugssystems, die gleich mehrere Probleme gleichzeitig angehen soll – von der Resozialisierung der Häftlinge über den Arbeitskräftemangel bis hin zur Ankurbelung der Wirtschaft.
Restaurants hinter Gittern – von Häftlingen betrieben
Anlässlich des 110-jährigen Bestehens der thailändischen Strafvollzugsbehörde stellte das Department of Corrections ein Konzept vor, das die Gefängnisse nicht nur als Orte der Verwahrung, sondern als Lern- und Arbeitsstätten versteht. Besucher können in den Einrichtungen essen, trinken, einkaufen und Workshops erleben – betreut ausschließlich von Gefangenen, die dafür gezielt ausgebildet wurden.Das Aushängeschild ist die Restaurantmarke „Krua Chuan Chom“, die inzwischen 122 Filialen im ganzen Land betreibt. Sie genießt den Ruf, hygienisch, schmackhaft und günstig zu sein. Ergänzt wird das Angebot durch neue Formate wie „Cook & Coff“ oder „Hub Phuey Café“.
Zahlen und Fakten: Überfüllte Gefängnisse, zu wenig Personal
Die Reform kommt nicht von ungefähr. Am 1. August 2025 saßen in Thailand 300.246 Menschen in Haft, darunter 262.688 Männer und 37.558 Frauen. Vor der Corona-Pandemie war die Zahl zwar von fast 400.000 auf rund 200.000 gesunken, inzwischen hat sie aber durch wirtschaftliche Krisen, Arbeitslosigkeit und Drogenprobleme wieder stark zugenommen.Gleichzeitig fehlen Aufseher: Mit nur rund 10.000 Bediensteten, von denen 60 % im Wachdienst arbeiten, liegt das Verhältnis bei ein Aufseher für 40 Häftlinge – weit entfernt vom internationalen Standard von 1:5.
Ausbildung statt reiner Verwahrung
Um trotz dieser Belastungen Perspektiven zu schaffen, setzt die Behörde massiv auf berufliche Qualifizierung. Häftlinge werden in Gastronomie, Landwirtschaft, Handwerk, Gesundheit, Musik oder darstellender Kunst geschult. Produkte aus Gefängniswerkstätten – von Möbeln und Stoffen über traditionelle Kunsthandwerke bis zu Backwaren oder Massagen – werden in Shops und online verkauft.Die Programme sind bewusst praxisnah: Küchen, Gemüsebeete, Werkstätten und Läden dienen als Klassenzimmer, in denen Fähigkeiten erworben und Einkommen simuliert werden. So sollen Häftlinge nach ihrer Entlassung mit echten, marktfähigen Kompetenzen in die Gesellschaft zurückkehren.
Zweite Chance statt Stigmatisierung
„Jeder Handgriff ist eine Lektion, die zu künftigem Einkommen werden kann“, beschreibt die Strafvollzugsbehörde das Konzept. Partnerschaften mit privaten Unternehmen und staatlichen Institutionen erweitern die Ausbildungsmöglichkeiten. Auch königliche Initiativen wie das Projekt „TO BE NUMBER ONE“ sind Teil des Programms.Das erklärte Ziel: Die Stigmatisierung ehemaliger Häftlinge zu verringern und ihnen eine zweite Chance zu geben. Für Besucher wiederum entsteht ein ungewohntes „Gefängniserlebnis“, das zwischen sozialem Engagement, kulinarischem Ausflug und touristischer Neugier oszilliert.
Ein Modell mit Signalwirkung?
Thailand präsentiert sich mit den „Touristen-Gefängnissen“ als innovativ und pragmatisch zugleich. Kritiker sehen darin eine mögliche Kommerzialisierung des Strafvollzugs, Befürworter hingegen einen dringend nötigen Paradigmenwechsel: Weg vom reinen Wegsperren, hin zu einer aktiven Vorbereitung auf ein Leben nach der Haft.Ob das Modell auch international Nachahmer findet, bleibt abzuwarten – in Thailand jedenfalls ist die Mischung aus Wirtschaftsförderung, Resozialisierung und touristischem Interesse schon jetzt ein Experiment, das landesweit Aufmerksamkeit erregt.
⇒ Handbuch für ausländische Gefangene in Thailand (engl.)
Quellen: Cottection Dept. Thailand, KhaoSod
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