Von Thailand nach Deutschland - und in die Hölle - Reisenews Thailand
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12.11.2025

Von Thailand nach Deutschland - und in die Hölle

Schleuserprozess in Bielefeld deckt menschenverachtendes System auf

Von Thailand nach Deutschland - und in die Hölle - Reisenews Thailand - Symbolfoto 1

Mit Touristenvisa in ein neues Leben – das war das Versprechen. Was viele Frauen und Ladyboys aus Thailand erwartete, war jedoch kein Neuanfang, sondern ein Abgrund: Zwangsprostitution, Abhängigkeit und Ausbeutung mitten in Deutschland. Vor dem Landgericht Bielefeld läuft nun ein aufsehenerregender Prozess gegen ein mutmaßliches Schleusernetzwerk, das über Jahre ein skrupelloses Geschäftsmodell betrieben haben soll.

Ein System aus Täuschung, Kontrolle und Gewalt

Zehn Angeklagte – Männer und Frauen zwischen 29 und 64 Jahren – müssen sich wegen bandenmäßigen Einschleusens, Zwangsprostitution und Geldwäsche verantworten. Laut Anklage sollen sie gezielt Frauen und Ladyboys aus Thailand nach Deutschland gebracht haben, meist mit Touristenvisa und falschen Versprechen von legaler Arbeit. Stattdessen landeten die Opfer in Bordellen, wo sie gezwungen wurden, „ihre Reisekosten“ abzuarbeiten – ein perfides System moderner Schuldknechtschaft.

Thailand Flüge ab Frankfurt, Berlin, Hamburg, München, Wien und Zürich
Die Täter sollen arbeitsteilig vorgegangen sein: Einige organisierten die Reisen und Visa, andere kümmerten sich um den Transport innerhalb Deutschlands, wieder andere betrieben die Bordelle selbst. Die illegalen Etablissements befanden sich unter anderem in Hamburg, Lüneburg, Weimar und mehreren Städten in Nordrhein-Westfalen – darunter Löhne, Bad Oeynhausen, Minden und Bünde.

Süß verpackte Millionen – Geldwäsche made in Germany

Wie lukrativ das Geschäft war, zeigt ein Detail aus der Anklage: Bargeld aus der Prostitution wurde in Thailand gewechselt – und teilweise über kreative Schmuggelmethoden ins Land gebracht. In einem Fall sollen 110.000 Euro in Bonbonverpackungen über den Flughafen Hamburg geflogen worden sein. Solche Szenen klingen absurd, sind aber laut Bundeskriminalamt (BKA) Teil einer bekannten Praxis.

Ein bekanntes, aber unterschätztes Phänomen

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Das BKA bezeichnet Menschenhandel aus Südostasien als „strukturell verankertes Problem“. In Thailand werben sogenannte Agenturen gezielt nach Europa – oft im Auftrag krimineller Gruppen mit derselben Herkunft. Die Preise für eine Schleusung liegen weit über dem, was viele Frauen im Land jemals verdienen könnten. So geraten sie in eine Spirale aus Schulden, Abhängigkeit und Angst – und werden für die Täter zu einer sicheren Einnahmequelle.

Zahlen, die kaum jemanden aufrütteln

Laut BKA-Lagebild 2024 wurden 16 thailändische Opfer des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung in Deutschland erfasst – die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Viele Betroffene trauen sich nicht, zur Polizei zu gehen: aus Angst vor den Tätern, vor einer Abschiebung oder schlicht, weil sie kein Vertrauen in die Behörden haben.

Prozess mit Signalwirkung

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Das Landgericht Bielefeld hat für den Mammutprozess über ein halbes Jahr angesetzt, bis mindestens April 2026. Schon das Verlesen der Anklage dauerte über zwei Stunden. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem komplexen Geflecht aus Täuschung, Abhängigkeit und Gier.

Dieser Fall ist kein Einzelfall – sondern ein Spiegel dafür, wie Menschenhandel funktioniert: gut organisiert, international vernetzt, oft im Verborgenen. Während Touristen in Bangkok am Chao Phraya Cocktails schlürfen, werden in Deutschland thailändische Frauen und Transmenschen gezwungen, die Rechnung zu bezahlen – mit ihrer Freiheit und ihrer Würde.


Quellen: FAZ, Neue Westfälische, Aachener Zeitung
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