Essen
Du kannst nicht wissen, ob Essen schmeckt, wenn Du kein Thai bist
Eine kleine Geschichte am Rande eines Thai-Festes in Karlsruhe 😜
Nicht irgendein Roti. Sondern das goldgelbe, knusprige, buttrig-blättrige Kunstwerk aus hauchdünn gezogenem Teig, das man auf heißen Platten tanzen lässt, bis es blättert wie eine thailändische Croissant-Vision. Mit süßer Kondensmilch, versteht sich. Ich esse das seit über drei Jahrzehnten. Ich weiß, wie Roti schmecken kann. Ich kenne jedes Stadium von „fluffig“ bis „verbrannt“. Ich halte mich quasi für den Sommelier des südostasiatischen Streetfood-Crunch.
„Roti!“ Was je nach Land wahlweise „Brot“, „Runde Sache“ oder einfach nur „Ich will zehn davon“ heißen kann. Seit Jahrhunderten reisen diese Dinger durch ganz Südostasien, von Indien über Malaysia bis nach Thailand – mal herzhaft, mal süß, mal mit Ei, Banane oder der emotionalen Wucht gezuckerter Kondensmilch. Aber niemand kann wirklich sagen, woher sie kommen und niemand konnte sich bisher einig werden, ob es ein Snack, ein Dessert oder ein religiöses Erlebnis ist – alle sind sich einig: Wenn Roti richtig gemacht ist, ist es das knusprigste Friedensangebot der Welt.
Wir also auf dem Thai-Fest und nach den durchaus geschmackvollen, wenn auch etwas zu milden Hauptgängen: Nachtisch! Also bestelle ich drei Portionen Roti – für mich, mein Kind und meine Frau. Erwartung: Himmel. Realität: Zahnarztpanik.
Die Dinger kamen gummiartig, pappweich und elastisch wie ein schlecht gelaunter Expander. Null Duft, null Knusper. Statt „Roti“ hätte man es auch „Aufgeweichte Isomatte“ nennen können.
Ich also zum Stand, freundlich und diplomatisch, wie es meine Sojasaucen-Erfahrung gebietet. Das Standpersonal: ein deutscher Mann und seine thailändische Frau. Ich erkläre das Problem. Der Mann nickt erst verwundert, dann vorsichtig zustimmend. Man merkt, er will helfen, aber nicht geschieden werden.
Doch dann tritt sie auf den Plan.
Die Roti-Gatekeeperin.
Sie fixiert mich mit dem Blick einer Frau, die gerade erfahren hat, dass jemand Fischsauce mit Ketchup verwechselt hat.
„Das ist sehr knusprig!“
Ich drücke leicht mit dem Finger – es gibt nach wie ein feuchter Schwamm.
„Nein, wirklich nicht. Schauen Sie…“
„DOCH! SEHR KNUSPRIG!“, schallt es in Capslock zurück.
Ich versuche es mit Logik. Ich nehme ein Stück Roti, ziehe daran. Es dehnt sich auf das Dreifache, biegsam wie ein Fahrradsattel nach 2000 Kilometern. Ich blicke in ihre Augen, in der Hoffnung, den Funken der Erkenntnis zu finden.
Stattdessen kommt der Satz, den man nie vergisst:
„Ich bin Thai. Ich weiß, wie Roti schmeckt. Farangs wissen so was nicht.“
Bumm. Argumentativer Atompilz über dem Festivalgelände. Ich, ein Mann mit jahrzehntelanger Erfahrung im Roti-Konsum, wurde in einem Satz auf die Stufe von „geschmacklich Analphabet“ zurückgesetzt – wegen meiner Geburtskoordinaten.
Der Ehemann, rot im Gesicht wie ein Thai-Chili, gibt mir ohne Worte mein Geld zurück, was ich eigentlich gar nicht wollte. Ehrlich. Ich wollte nur... Roti.
Währenddessen wendet seine Frau mit grimmiger Entschlossenheit das nächste „Kunstwerk“: ein flächiges Etwas von der Größe eines Badewannenvorlegers, fünf Millimeter dick, vermutlich mit der Textur einer fensterlosen Turnmatte.
In der Welt des Rotis gibt es nur zwei Kategorien: knusprig und kulturell unbelehrbar. Und manchmal reicht ein falsch verstandenes Stück Teig, um zu lernen, dass Geschmack keine Frage des Gaumens, sondern der Nationalität ist. Und wenn du wirklich leckeres, Superknusper-Roti willst, frag meine Frau!
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